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Ideenreichtum im Lockdown gewürdigt - 22.06.2022 – Geilenkirchener Zeitung

Bundesregierung zeichnet engagierte Buchhandlungen für ihre Kreativität aus. Drei davon im Kreis Heinsberg.

KREIS HEINSBERG Sie sind Raumausstatter der besonderen Art, obwohl sie selbst wahrscheinlich nicht auf die Idee kämen, sich so zu nennen, und das, was sie zu Innenraumgestaltung beizutragen haben, in keinem „Schöner Wohnen“-Magazin zu finden ist. Dennoch macht es einen Unterschied: „Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seine Böden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.“ Das sagte schon der Schriftsteller Hermann Hesse.

In Zeiten des Corona-Lockdowns war es für die Buchhändler und Buchhändlerinnen gar nicht so einfach, Wohnungen und ihre Bewohner mit „fliegenden Teppichen ins Reich der Phantasie“ (James Daniel) zu versorgen. Als sie, wie auch der übrige Einzelhandel, zeitweise ihre Türen schließen mussten, war Kreativität gefragt. Für diese Kreativität, den „Ideenreichtum und die harte Arbeit im kulturellen Leben“, hat die Bundesregierung eine Anerkennungsprämie ausgelobt. Buchhandlungen als Orte der Kultur und ihren Beitrag zur literarischen Vielfalt zu erhalten, das ist das Ziel des Förderpakets „Neustart Kultur“, das einmalig ausgezahlt wurde. Im Blick hat die Förderung nicht die großen Ketten, sondern die kleinen Betriebe.

Damit eine Buchhandlung zum Kulturort wird, reicht es jedoch nicht, kulturell Wertvolles zwischen zwei Buchdeckeln in die Regale zu stellen. Sie müssen auch Orte oder Impulsgeber für kulturelle Veranstaltungen sein, zum Beispiel für Lesungen, wie jüngst im Innenhof zwischen dem Begas-Haus und dem Café Samocca mit der Bestseller-Autorin Adeline Dieudonné, organisiert vom Heinsberger Buchhändler Marcus Mesche, oder die Lesung mit der Literaturpäpstin Elke Heidenreich in Wegberg, die auf Einladung des Buchhändlers Ulrich Kirch anreiste, ebenso wie Christine Westermann und Wolfgang Hohlbein.

Bundesweit rund 600

Die Buchhandlungen der beiden gehören zu den bundesweit etwa 600 inhabergeführten Unternehmen, die die Anerkennungsprämie erhalten haben. Die dritte im Bunde im Kreis Heinsberg ist die Geilenkirchener Buchhandlung von Kathrin Lyne von de Berg, die neben der Corona-Krise auch vom Hochwasser im vergangenen Jahr betroffen war.

Maßgeblich ist nicht eine einzelne Kulturveranstaltung, sondern es ist vielmehr das generelle Konzept und die beständige, kulturell wertvolle Arbeit der einzelnen Buchhandlungen, die für eine Auszeichnung qualifiziert. So organisiert Ulrich Kirch in Zusammenarbeit mit dem Kulturring Wegberg die jährlichen Literaturtage in Wegberg mit verschiedenen literarischen Höhepunkten und die Buchhandlung Gollenstede hat unter anderem das Bilderbuch-Fest in Heinsberg etabliert – ein solches gibt es bundesweit sonst nur noch in Berlin.

Punkte sammeln, um sich für die Kategorien „besondere“, „herausragende“ oder „Spitzenleistung“ zu qualifizieren, konnten die Buchhandlungen aber auch mit einem regelmäßigen Auftritt in den Sozialen Medien wie Facebook und Instagram, einem regelmäßigen Kunden-Newsletter, einem Web-Shop und wechselnder thematischer Dekoration und der Unterstützung von regionalen Autoren und kleinen Verlagen. „Wir brauchen die großen Verlage“, sagt Marcus Mesche von der Buchhandlung Gollenstede, „wir müssen auch die Bestseller anbieten, aber wir bieten auch den kleinen, unabhängigen Verlagen ein Forum.“ Nur so entstehe literarische Vielfalt, und regionale Autoren können dort gefunden werden, wo sie auch schreiben.

Zuerst muss aber die Leselust geweckt werden und das fängt in der Schule an, deshalb beteiligt sich die Buchhandlung Gollenstede an der Aktion Lesetüte und packt regelmäßig für Grundschulen in der Region Papiertaschen mit Leseanfängerbüchern oder verschenkt am Welttag des Buches – natürlich – Bücher. Auch die Buchhandlung Kirch ist beim Welttag des Buches dabei, lädt Schüler zu Führungen in der Buchhandlung ein, stiftet Bücher für Vorlesewettbewerbe, stellt Büchertische in Büchereien, Kindergärten und Schulen auf und engagiert sich in der Lese-Förderung. Kirch ist in der Wegberger Hauptschule aktiv, Gollenstede kooperiert mit dem Verein Mentor.

Als wegen des Lockdowns die Geschäfte schließen mussten, schwenkten alle drei recht schnell aufs Onlinegeschäft um. Lyne von de Berg stellte einen Tisch vor die Tür, wo die Kunden ihre Bestellungen abholen konnten, und lieferte aus. Die Mitarbeiter der Wegberger Buchhandlung Kirch „konnten sich das Fitnessstudio sparen“, erzählt Ulrich Kirch und lacht. „Wenige Tage nach dem Lockdown wurde „Books by Bike“ ins Leben gerufen.“ Über die bekannten Bestellwege konnten Bücher und sämtliche andere Artikel bestellt werden und wurden innerhalb von ein bis zwei Werktagen zu den Kunden im gesamten Stadtgebiet geliefert – und zwar per Fahrrad. „Wir konnten jeden Tag zwei Fahrradanhänger mit Bestellungen füllen und haben sie dann gemeinsam ausgefahren. So haben wir in einigen Wochen an die 1000 Kilometer zurückgelegt“, sagt Ulrich Kirch. Das sei nicht nur wichtig gewesen, um während den langen Wochen des Lockdowns Einnahmen zu generieren, sondern auch, um die zentrale Rolle als Vermittler von Kultur erfüllen zu können, wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels anerkennt, der auswählte, welche Buchhandlung in den Genuss des Förderpakets kam.

Während auch das Team von Lyne von de Berg oft aufs Rad stieg, um frischen Lesestoff zu liefern, saßen die Gollensteder Mitarbeiter öfter im Auto, schließlich lieferten sie bis in den Selfkant aus.

Lastenfahrrad und Lesungen

Auch die Prämien sind jetzt ausgeliefert, für „besondere Leistungen“ gab es 8000 Euro, für „herausragende Leistungen“ 15.000 und für „Spitzenleistungen“ 25.000 Euro, wie auf der Internetseite des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nachzulesen ist. Aber über Geld mögen alle drei nicht gerne reden. Bei einer Lesung, so erklärt Marcus Mesche, zahle man gerade jetzt, da die Menschen noch sehr zurückhaltend öffentliche Veranstaltungen besuchen, meistens drauf.

Wie die Buchhandlungen mit der einmaligen Finanzspitze umgehen, bleibt ihnen überlassen. Ein Lastenfahrrad finanzieren (so wie Marcus Mesche es plant), Lesungen ermöglichen oder Leseförderung betreiben, alles ist möglich, sofern es in die Buchhandlung reinvestiert wird. Kathrin Lyne von de Berg will gemeinsam mit ihrem Team, das ihr in den schwierigen Zeiten so treu zur Seite stand, noch entscheiden, wie das Geld verwendet wird. Ulrich Kirch hat unter anderem einen Kaffeevollautomaten für seine Kunden und Kundinnen angeschafft und eine Kaffeeecke gestaltet. Denn gleich zwei Cafés in unmittelbarer Nachbarschaft seines Geschäfts haben kurz vor und während der Pandemie aufgeben müssen. So kann er den Aufenthalt in seiner Buchhandlung noch ein wenig angenehmer gestalten und den dann entspannten Blick der Kaffeetrinkenden aufs Buch lenken, damit sie neue Accessoires für die gelungene Innenraumgestaltung ihrer Wohnung wählen können, denn: „Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.“ Das sagt Cicero. Und der war ein recht kluger Mann.

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat inhabergeführte Buchhandlungen in drei Kategorien ausgezeichnet, für „besondere“, herausragende“ und „Spitzenleistungen“, die sie vom 1. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2021 erbracht haben. Voraussetzung ist unter anderem ein Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro. Damit richtet sich der Preis gezielt an kleine und mittelgroße Unternehmen.

Die Prämien können die Buchhandlungen frei in ihren Geschäftsbetrieb investieren. Sie „sollen einen Beitrag zum Erhalt von Buchhandlungen als Kulturorte leiste und dazu beitragen, dass die literarische Vielfalt in Deutschland erhalten bleibt.“

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